Der Status quo nach dem Sprengstoffanschlag durch Neonazis in Einbeck

Wenige Tage sind vergangen seit dem Sprengstoffanschlag durch Einbecker Neonazis auf eine Antifaschistin aus Einbeck. In den Medien ging die Tat viral, sogar die New York Times berichtete darüber. So gab es bereits viele, sehr gute Artikel zu dem Thema, die enormen Druck auf die involvierten Stellen in Einbeck aufbauen. Wir möchten an dieser Stelle gerne unsere Sicht auf den Status quo der letzten Tage und unsere Erkenntnisse hierzu äußern. Wir wollen deutlich sein, werden aber auch aus guten Gründen in manchen Punkten nicht vollständig unseren Kenntnisstand preisgeben.

Die Täter

Es handelt sich, wie bereits in einigen Publikationen zu lesen war, um Pascal Zintarra. Über ihn wurde bereits viel berichtet und wir halten uns an dieser Stelle kurz. Neu ist uns die Erkenntnis, dass er als einer der (sehr wenig) geführten „Gefährder rechts“ eingestuft ist. In einigen Publikationen war zu lesen, dass Zintarra im Umfeld von Thorsten Heise aktiv sei. Dies war in der Vergangenheit sicherlich mal so, allerdings haben wir keinen glaubhaften Ansatz, dass dies heute noch der Fall ist.

Bei der zweiten Person, gegen die nun wegen der Tat ermittelt wird, handelt es sich um Jonas Armbrecht. Nachdem er sich bereits an der unfassbaren Provokation vor der KZ-Gedenkstätte Moringen beteiligte, stellt dies nun einen weiteren, traurigen Höhepunkt seiner 2,5-jährigen Neonazi-„Karriere“ dar.

Hier posieren die beiden in denselben Shirts mit identischer Geste wie in Moringen vor der Swastika an der Ratsapotheke:

Die Tat

Bereits am Abend vor der Tat bedrohten die beiden Täter stark alkoholisiert die später Betroffene in der Stadt auf offener Straße. Leider konnte niemand ahnen, dass nur Stunden danach aus Worten Taten werden würden.

Die Tat selbst ist bekannt, daher gehen wir an dieser Stelle nicht weiter darauf ein. Allerdings sind wir stark irritiert, dass der Vorwurf nun scheinbar von einem Sprengstoffkontext auf eine bloße Sachbeschädigung herabgestuft worden sein soll. Laut unseren Erkenntnissen handelte es sich nicht bloß um einen „normalen Böller“. Dies untermauern auch jegliche Aussagen aus vielen Richtungen zur Sprengkraft des gezündeten Gegenstandes. In dieselbe Kerbe stoßen die Gerüchte, dass Zintarra bleibende Schäden an der verletzten Hand davongetragen hat. An dieser Stelle klar und deutlich: NULL Mitleid von uns!

Erschreckend ist ebefalls, dass bei der an die Tat anschließenden Hausdurchsuchung erneut Waffen gefunden wurden.

Laut Presse wurden sichergestellt:

– Ein Karabiner (kurzläufiges Gewehr)
– Zwei Schreckschusspistolen
– 15 Patronen unterschiedlichen Kalibers
– Eine Mörsergranate

Die Wohnung war eine der beiden, die vor knapp 2 Monaten durch das LKA durchsucht worden sind und hierbei bereits Waffen gefunden und beschlagnahmt worden sind.

Die Kundgebung am Freitag

Aus aktuellem Anlass entwickelte sich eine eigentlich turnusmäßig angemeldete Kundgebung unserer Genoss*Innen vom OATE und der Seebrücke Einbeck zu einer großen Soli-Kundgebung für die Betroffene. 300-350 Menschen aus verschiedensten Gruppen, Orgas und Städten drückten der Betroffenen ihre Solidarität aus. Wir stießen mit der Sponti vom Bahnhof zur Kungebung hinzu. Zu hören waren (zurecht) kritische Redebeiträge des OATE gegenüber Behörden, Stadt, Polizei, Politik und Einbecker*Innen, die sie in die Pflicht nehmend zu Engagement aufforderten. Hervorheben möchten wir die Kritik, dass leider viele Menschen die Einschätzung vertreten, die steigenden Neonazi-Aktivitäten seien durch linke Aktiviäten provoziert und sich diese gegeneinander hochschaukeln. Hufeisen werden nicht richtiger nur weil sie Viele werfen…

Mucksmäuschenstill wurde es dann als die Betroffene selbst zum Mikro griff. Sie äußerte, dass sie sich nicht unterkriegen oder einschüchtern lässt. Sie bedankte sich für die vielzählige und überwältigende Solidarität, die ihr von Menschen vor Ort zukommt, aber auch aus hunderten Kilometern Entfernung ausgesprochen wurde. KEEP YOUR POWER!

Als wären diese Worte nicht schon ergreifend genug gewesen, kam dann aus unserer Sicht DER Moment der Kundgebung: Eine Einbeckerin (PoC) kniete mit der #blacklivesmatter-Geste vor der Betroffenen nieder.

Bild von Nico Kuhn, hier weitere Bilder von der Kundgebung.

Als die Kundgebung beendet war, wurde noch eine Sponti angemeldet. Diese sollte an dem Wohnort der beiden Täter, der Hägerstraße, vorbeigehen. Die Cops versuchten die Route nicht zuzulassen. Zum Glück war der Anwalt der Betroffenen ebenfalls vor Ort und regelte das kurzerhand.

Wie groß die „Reue“ der Neonazis ist, zeigte sich als die Sponti an der Hägerstraße ankam. Der Zugang wurde durch viele Cops und Fahrzeuge gesichert. Dennoch konnten wir sehen, dass sich die Neonazis demonstrativ wie immer in der Hägerstraße/Hägermauer aufstellten und posten. Nachdem auch die Sponti vorbei war, gab es noch einen weiteren Beleg dieser „Reue“: Wie zu lesen war, wurden sich bei der Abreise im Auto befindende Journalist*Innen vulgär durch Neonazis beleidigt und bepöbelt.

Die Distanzierung

Einen Tag nach der Tat gab es eine peinliche Distanzierung des Kreisverbandes Northeim/Einbeck von „Die Rechte“. Sie soll vermutlich lediglich den Schaden von dem Kreisverband, bzw. der gesamten Partei lenken.

Wir wollen gar nicht auf die ganzen Peinlichkeiten eingehen, nur soviel: Uns ist völlig egal, ob Zintarra Mitglied der Partei ist und den obligatorischen 5er im Monat Mitgliedsbeitrag lieber in Dosenbier investiert! Pascal Zintarra war in der Vergangenheit die regelmäßige Begleitung vom Kreisvorsitzenden von „die Rechte“, Tobias Haupt aus Fredelsloh, zu den Kooperationsgesprächen des KV. Außerdem befand sich Tobias Haupt ebenso unter den Neonazis bei der Beleidigung  der abreisenden Journalist*Innen.

Die Zukunft

Wir konnten an vielen Stellen in den letzten Tagen lesen, dass die unterschiedlichsten Stellen nun durchgreifen wollen. Der öffentliche Druck ist enorm. Ob auch in diesen Fällen aus Worten Taten werden, müssen wir abwarten und kritisch beobachten. Die oben erwähnte Herabstufung des Straftatbestands spricht bereits eine andere Sprache. Ebenso wie das Fernbleiben unserer Bürgermeisterin, Dr. Sabine Michalek, von der Kundgebung am Freitag. Zuvor gab es eine klare Stellungnahme der Stadt, dass nun alles unternommen werden müsse um die Zustände zu beseitigen. Wir möchten an dieser Stelle nicht spekulieren, was ihr am Freitag „wichtiger“ war oder weshalb sie nicht der Betroffenen ihre Anteilnahme durch ein Erscheinen auf der Kundgebung zum Ausdruck brachte. Zumindest hatte sie zeitgleich zur Kundgebung die Zeit, auf Facebook einen Beitrag zu teilen „wie schön doch unser Einbeck“ sei. Nunja…

 

 

Dass sich Antifaschist*Innen nicht auf diese Stellen verlassen können, zeigt(e) sich leider immer wieder. Seit über zwei Jahren weisen wir (und auch andere Gruppen) auf die schlimme Neonazi-Situation und die Gefahrenlage in Einbeck hin.

So müssen auch wir uns kritisch hinterfragen und unseren antifaschistischen Selbstschutz verbessern. Die Lage ist brenzliger als jemals zuvor: Bedrohungen und Einschüchterungen stehen fast an der Tagesordnung. Sachbeschädigungen, freidrehende Neonazis, die sogar der Polizei gegenüber „Warnschüsse“ abgeben, Waffenfunde, nun ein Sprengstoffanschlag.

Das Ziel darf nicht nur heißen, keinen Nazi-Kiez in Einbeck zu haben, sondern: Einbeck nazifrei!

Antifa in die Offensive!

Sprengstoffanschlag durch Neonazis auf Einbecker Antifaschistin!

Pressemitteilung von Rechtsanwalt Rasmus Kahlen:

 

Weder von Seiten der Cops, noch von den Medien ist etwas davon zu lesen.

Wir sind sprachlos.

Volle Solidarität mit der Genossin!

Betroffen sind einzelne, gemeint sind wir alle!

Kommt bitte zur Kundgebung vom OATE am Freitag um 17:00 Uhr vor dem Rewe in der Marktstraße und zeigt der Genossin, dass wir solidarisch untereinander sind und sie nicht alleine ist.

Alle zusammen gegen den Faschismus!

Update: Artikel im Göttinger Tageblatt

Update 2: Mittlerweile hat auch die Einbecker Morgenpost berichtet.