Gemeinsame PM/Gegendarstellung von OATE, Seebrücke Einbeck und uns

Am 10.10.2020 fand eine gemeinsame Demonstration von OATE,

Seebrücke Einbeck und 161Einbeck statt, bei der dank solidarischer Unterstützung vieler anderer Gruppen aus Kassel, Göttingen, Hildesheim, Goslar, Osterode und Hannover und weiteren Städten ein deutliches Zeichen gegen Neonazigewalt in Einbeck gesetzt wurde.
 
Der Pressebericht der Polizei Einbeck stellt die Demonstration jedoch als gewalttätig und chaotisch, sowie die Veranstaltungsteilnehmer*innen als unkooperativ dar. Seitens der Polizei erfolgten nach Zündung von Nebeltöpfen mehrere Festnahmen. Doch was ist wirklich geschehen? Wir möchten hiermit auch unsere Sicht der Geschehnisse darlegen:
Nachdem alle Gruppen mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist waren, konnte der Demonstrationszug gleich zu Beginn nicht starten. In der Presse steht, dass die Versammlungsleiterin mehrfach auf Beschränkungen hingewiesen werden musste, denen sie nur zögerlich nachkam. Richtig ist, dass natürlich das Ausfüllen der Teilnehmer*innenlisten erfolgt ist, und auch nicht zur Diskussion stand, aber dass die Behörden zusätzlich eine Liste mit Namen und Adressen der Ordner verlangten. Dieses Begehren ist jedoch am Vortag gerichtlich per Eilverfahren zugunsten der Versammlungsleiterin entschieden worden, so dass diese Informationen nicht herausgegeben werden mussten. Somit wurde gleich zu Beginn bewusst versucht, Druck auszuüben und sich über gerichtliche Anordnungen hinweg zu setzen. Es zeichnete sich also schon an diesem Punkt deutlich ab, wie „kooperativ“ die Polizei der Demonstration gegenüberstand.
 
Als der Demozug aus der Bismarckstraße in die Benser Straße abbog, begann die Polizei bereits ihre Helme aufzusetzen, was häufig ein ungutes Gefühl bei den Demonstrierenden verursacht. Der Demozug bog daraufhin in die Hägerstraße ein und musste feststellen, dass die Zusage der Stadt, bis zu einer bestimmten Hausnummer gehen zu dürfen, wiederum nicht eingehalten wurde und eine Polizeisperre bereits etliche Meter davor aufgebaut worden war. Das sogenannte versuchte „Durchbrechen“ der Polizeiabsperrung war in Wirklichkeit ein unvermitteltes aggressives Vorgehen der Polizeikette in Richtung der Demonstrationsspitze. Die Demonstrierenden hatten keine Chance sofort zu stoppen, kamen aber trotzdem nach wenigen Sekunden zum Stehen. Im Nachgang sprach die Polizei hier von einem Fehler der Markierung der Zwischenkundgebung in ihren Unterlagen, im Gegensatz dazu fand dieses Vorkommnis und die damit verbundene Konfrontation von Polizei gegenüber Demonstrierenden jedoch in der polizeilichen Pressemitteilung keinerlei Erwähnung.
 
Außerdem wurde zeitgleich zu unserer Demonstration eine Spontankundgebung seitens der Neonazis in der Hägerstraße genehmigt. Es ist also davon auszugehen, dass die Polizei aufgrund dieser Genehmigung, die uns zugesagten Plätze nicht einhalten konnte.
 
Ist das Demonstrationsrecht der Neonazis also mehr wert als unseres oder wie müssen wir das verstehen?
 
Parallel dazu fingen Polizisten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) seitlich des Zuges an, willkürlich Regenschirme von Demonstrationsteilnehmer*innen zu greifen und mutwillig zu zerstören. Wir hatten das Gefühl, dass hier bewusst provoziert wurde, weil eine Eskalation gewollt und geplant war. Ein Mensch hat sich gegen das Wegnehmen seines Schirmes gewehrt, woraufhin es zu einer kurzen Schubserei zwischen Demonstrierenden und Polizei kam. Noch einmal deutlich: Zu keiner Zeit wurde versucht die Barriere der Polizei zu durchbrechen. Das Zünden der Nebeltöpfe hat stattgefunden, obwohl im Vorfeld der Demonstration durchgesagt wurde, dass sich alle Teilnehmer*innen an die Auflagen zu halten haben. Das Nutzen von Pyrotechnik war für diese Demonstration untersagt. Die Nebeltöpfe sind jedoch keine pyrotechnischen Gegenstände und kein*e Passant*in der Demonstration ist dadurch verletzt worden. Insofern ist eine Ermittlung wegen gefährlicher Körperverletzung genauso an den Haaren herbeigezogen wie der Vorwurf des Gerangels, jedoch nahm die Polizei beides zum Anlass, um in Anschluss an die Demonstration brutal und unverhältnismäßig gegen die Teilnehmenden vorzugehen.
Wir möchten hier noch einmal in aller Deutlichkeit betonen, dass wir die im Anschluss auf die um 17:30 Uhr endende Demonstration folgende Eskalation der Polizei auf das Schärfste verurteilen und nicht nachvollziehen können.
 
Direkt nach der offiziellen Auflösung der Demonstration durch die Anmelderin fanden sich die Demonstrierenden, die mit den Zügen wieder abreisen wollten, am Bahnhof ein, nur um nach kürzester Zeit von der Polizei gekesselt zu werden. Das, was in der Pressemitteilung der Polizei, als „einfache körperliche Gewalt“ beschrieben wird, wurde nicht ohne Grund abseits der Innenstadt, weit nach den Vorkommnissen der Hägerstraße durchgeführt. Schnell, zielsicher und brutal ging die Polizei in die Menge der ehemaligen Teilnehmer*innen der Demonstration und zog einzelne angeblich Verdächtige aus der Menge.
 
Fakt ist, dass bei diesem Vorgehen der Polizei Menschen zu Boden geworfen wurden, und selbst nachdem sich eine 60-jährige Genossin schützend vor einen am Boden liegenden Demoteilnehmer stellte und deeskalierend auf den Polizisten einwirken wollte, wurde sie von ihm körperlich höchst aggressiv angegangen. Sie forderte ihn auf, sofort von ihr und dem am Boden Liegenden zu lassen, doch die einzige Antwort des Polizisten war ein weiterer Schlag gegen die ehemalige Teilnehmerin. Danach entzog dieser sich jeglichem Sichtkontakt. Ein leider gängiges Problem, gerade mit Einheiten der BFE, die sich seit Jahren weigern eine eindeutige Kennzeichnungspflicht in ihren Einheiten durchzusetzen, so dass viele BFEler*innen in der absoluten Anonymität und dem starken Korpsgeist aggressives Verhalten zeigen können, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Insofern ist der fehlende Kooperationswillen hier ebenfalls nicht auf unserer Seite festzustellen. Selbst der Konfliktmanager der Polizei war bestürzt und peinlich berührt über die Vorkommnisse am Bahnhof, hatte er doch selbst nach eigener Aussage die Demo als friedlich eingeschätzt! Leider sagte er auch, dass er kaum Einfluss darauf haben wird, was dann im Nachgang in der polizeilichen Pressemitteilung stehen wird. So verbleibt auch hier ein weiterer Vorfall von Polizeigewalt vermutlich ungelöst.
Weiterhin versuchten ein ehemaliger Ordner und auch die Anmelderin, mit dem Einsatzleiter zu sprechen, um die Situation zu deeskalieren. Da aber die Veranstaltung beendet worden war, weigerte sich dieser, Gespräche aufzunehmen. Interne Kommunikation als Nachbearbeitung, bevor Fake-News rausgehauen werden? Das wäre mal eine Idee, oder?
Wenn also bei dieser Demonstration von Chaoten und rechtsfreiem Raum geredet wird, dann können wir dem uneingeschränkt zustimmen, nur ist es de facto so, dass nicht wir damit gemeint sein können. Wir haben den Eindruck, dass diese Veranstaltung bewusst genutzt wurde, um zu provozieren, so dass es dann im Nachgang leichter werden könnte, alle weiteren Aktionen unserer Gruppierungen zu verbieten. Aber wir lassen uns weder provozieren, noch schikanieren! Das Zünden von Nebeltöpfen mag vielleicht nicht richtig gewesen sein, aber die bewusste Eskalationsstrategie der Polizei steht weiterhin in absolut keinem Verhältnis! Auch die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden haben sich an geltendes Recht zu halten. Wir fordern eine umfangreiche Aufklärung und Nachbearbeitung!
Ein Nachsatz noch zu den Einbecker Geschäftsleuten. Die Betreiber*innen und Kund*innen einiger Geschäfte in der Fußgängerzone haben uns applaudiert und sich über unsere Anwesenheit gefreut. Das dies überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund waren, die positiv reagierten, lässt auch einige Schlüsse auf die kritische Situation in Einbeck zu. Insofern kann man hier keinesfalls von „allen Geschäftsleuten“ sprechen, sondern, wenn überhaupt, dann nur zu einem Teil. Wir haben unsere Zeit für die Demonstration ganz bewusst auf 14:30 Uhr gelegt, damit der Wochenmarkt unbeeinträchtigt bleibt. Dass um 11:00 Uhr eine weitere Veranstaltung in der Innenstadt stattfand, liegt in der Verantwortung der Behörden.
 
Zur Pressemitteilung des FDP-Bürgerkandidaten auf Facebook: Herr Weißensee, da Sie überhaupt nicht vor Ort waren, sondern wahrscheinlich nur den einseitig darstellenden Pressebericht der Polizei gelesen haben, sollten Sie sich eine derartige Reaktion besser verkneifen, ehe Sie nicht alle Aspekte der Situation kennen. Auf fake News reinzufallen, geht schneller als gedacht, aber das ist natürlich ein für Sie passendes Thema. Die FDP war schon immer unsolidarisch und anti-antifaschistisch. Die Oberschicht stärken und den Sozialstaat abbauen – so sieht ihre Zukunft aus, in der eine Arm-Reich-Schere als Werkzeug der ersten Wahl gilt. Klasse… Der Gipfel ist allerdings, dass Sie meinen Wahlversprechen machen zu können, mit denen man Demonstrationen aus der Stadt verbannen werde. Als Jurist müssten Sie wissen, dass Demonstrationen ein GRUNDRECHT sind. Insofern nutzen Sie die Situation nur für Wahlkampfzwecke und machen Versprechen, die Sie in keinster Weise halten können. Versuchen Sie es ruhig – Wir haben die letzten drei Klagen gewonnen und haben keine Angst davor weitere einzureichen!
 
Wir danken allen Gruppen und Demonstrationsteilnehmer*innen für ihre Solidarität und Unterstützung. Wir werden weiter für ein nazifreies Einbeck kämpfen!